Wenn man tanzt macht man sich verletzlich, insbesondere wenn man freestyle tanzt. Sich vor anderen verletzlich zu machen, ist nichts Intuitives. Besonders wenn die anderen Fremde sind, deren Bewertung man sich aussetzen muss. Besonders wenn die Fremden besser tanzen als man selbst. Besonders wenn man mit Musik konfrontiert ist, die sich außerhalb der Komfortzone befindet. Sich drücken zu wollen, sich durch einstudierte Bewegungen Sicherheit zu verschaffen oder mit angezogener Handbremse zu tanzen ist etwas, das jeder der die Herausforderung angenommen hat, kennt. Und ich glaube das ist etwas, dem man sich als Tänzerin nie wirklich entziehen kann. Etwas dem man sich immer und immer wieder stellen muss. Doch besonders zu Beginn ist das eine Tortur. Der Tag an dem ich zu meiner ersten Jam Session gegangen bin, ist mir vor allem für den unerträglichen inneren Konflikt, ob ich hingehen soll oder nicht, in Erinnerung geblieben. Stundenlang habe ich mich rumgequält und am Ende konnte ich mich doch überwinden. Danach war es leichter, aber die Angst und die Selbstzweifel die damit einhergehen sind in dem Momenten unheimlich real.
So kommen wir zur heutigen Session in der Tanzschule in der ich ab und an an einem Hiphop Choreo Kurs teilnehme. Ich hatte den Tanzlehrer, selbst langjähriger Hiphop Freestyle Tänzer, um eine Freestyle Session gebeten und er schlug vor, wir legen sie vor die Stunde und alle die wollen, können teilnehmen. So kam es dann und ein bunter Mix von Freestyle Tanz Unerfahrenen und Erfahreneren kommt zusammen und sammelt sich in einem Kreis, die Session beginnt. Der Lehrer eröffnet, indem er in die Mitte geht und performt. Dabei beobachten und feuern ihn 8 Leute an. Er tanzt und tanzt und tanzt. Als er fertig ist, zieht er sich zurück und fordert, recht plötzlich, eine andere Person auf in die Mitte zu treten…
Ich bin echt müde und hab nicht mehr genug Akku um das alles zu beschreiben, deshalb kurz gefasst, die Dinge, die man in meinen Augen in dem beschriebenen Szenario besser machen kann:
- Kurze Runden, wenn mit allen getanzt wird:
20-30 Sekunden und dann wechseln. - Jeder wird angefeuert und bekommt volle Aufmerksamkeit geschenkt:
Alleine sich zu trauen ist genug und egal welches Level, jedes kleine Highlight wird gefeiert. - Klare und spielerische Wechsel:
Wenn jemand raus geht, dann sucht er sich eine Person aus und tanzt ihr zu, dass sie dran ist. Jeder kommt mal dran, also muss jeder den Überblick behalten, wer noch nicht getanzt hat. - Schüchterne Teilnehmer unterstützen:
Nicht einfach ins Haifischbecken werfen. Als Lehrer oder erfahrenere Tänzerin mit der Person mit simplen Steps zusammen tanzen und ihr evtl im Laufe der Zeit die Möglichkeit für ein kurzes Solo zu geben - Den Vibe aufrecht erhalten und die oben stehenden Punkte steuern:
Als Lehrer/Leader oä. kann man Einfluss auf die oberen Punkte nehmen, in dem man anfeuert, lobt, pusht, begleitet, ablöst und sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellt! - Mehr 1 zu 1 exchanges bzw. kleine Gruppen:
In einem Kreis von 9 Leuten ist die Bewegungszeit jeder einzelnen sehr gering und der Druck vor allen zu tanzen sehr hoch. In kleinen Gruppen kehrt sich das um. - Bewegungsaufgaben stellen:
Freestyle überfordert zu Beginn. Was soll man den jetzt machen? Ich hab keine Ideen, usw. .Da hilft es ungemein zu Beginn mit bildlichen Bewegungsaufgaben oder Emotionen zu arbeiten. Beispiele dafür wären, dass man tanzt als wäre man gelangweilt oder überglücklich, weil man eine 1 in der Klausur hatte und man will, dass es jeder sieht. Das sollte auf den Song und die Teilnehmenden abgestimmt sein, also Fingerspitzengefühl und Vorerfahrungen sind für eine gute Wahl hilfreich.
Der Titel des Eintrags kommt daher, dass ich heute die meisten Anstöße gegeben und zum Teil das in meinen Augen ungeschickte Verhalten des Tanzlehrers korrigiert habe. Was mich aber enttäuscht und weshalb ich auch biased seinem Verhalten gegenüber bin, ist dass er sich vor dem Austausch mit mir gedrückt hat. Wir hatten in Reihe gewechselt und er wäre mit mir dran gewesen. Als er es gesehen hat, hat er jemand anderen eingewechselt. Auch in einem vorherigen kurzen Austausch, ist er nicht auf mich eingegangen und hat sich in den Mittelpunkt geschoben, hat mir keinen Raum gegeben, den ich ihm gewährt habe. Ich möchte auch gar nicht spekulieren, wieso er sich so verhält, darum geht es mir hier gerade nicht, wobei ich da meine Gedanken habe. Ich bin nur enttäuscht, denn eigentlich will ich einfach nur die Freude, die ich am Tanzen verspüre, teilen und gemeinsam mit anderen erfahren. Das blieb mir leider im Austausch mit dem Tanzlehrer verwehrt. Trotz allem konnte ich am Ende im Gespräch seine Dankbarkeit für das gemeinsame Tanzen mit der Gruppe spüren und fand das auch sehr ehrlich. Was bleitbt ist, dass der Austausch in der Gruppe mir unheimlich viel Freude bereitet hat und ich glaube, dass es diese Freude ist, die es mir ermöglicht, andere zu unterstützen sich zu öffnen und die Freude zu teilen.