Es ist nicht selbstverständlich, seinen Körper mit Freiheit verbinden zu können.

Die Freiheit in seinem Körper nicht gefangen zu sein, sondern durch ihn ermächtigt zu werden.
Die Freiheit seine Umgebung mit neuen Augen zu sehen und ihre Möglichkeiten und Grenzen kennenzulernen.
Die Freiheit seinen Emotionen die Gestalt geben zu können, die in dem Moment den Weg nach außen suchen.

Diese Sehnsucht nach Freiheit ist es, die mich dazu treibt Flips zu lernen. Das damit einhergehende Körpergefühl gleicht der Addition einer weiteren, bisher unbekannten Dimension. Eine weit entfernte Dimension, die mit gleicherlei Furcht und Bewunderung gesehen wird. Mit dem Betreten beginnt die Angst jedoch langsam zu weichen und Selbstbewusstsein nimmt ihren Platz ein. Ein Selbstbewusstsein, dass mir erlaubt, weitere Ängste zu überwinden.
Wiederum andere Befindlichkeiten zappel ich mir vom Leib, indem ich Geschichten erzähle. Ich erzähle sie in meinem Zimmer, im Cypher oder auf Dächern. Ich erzähle von wahren Begebenheiten, von Träumen und von Utopien. Ich erzähle um mich vom Erzählten frei zu machen und etwas zu finden, dass es transzendiert.

Bewegung ist das Portal um in diese Dimensionen zu transzendieren und mittlerweile definiert sie mich. Doch genauso definiere ich mich über sie. Ich idealisiere sie und verliere mich in der Optimierung meines Strebens nach mehr Freiheit in ihr. Ich mache mir Vorwürfe, nicht genug zu tun. Nicht genug zu investieren. Nicht Athlet genug zu sein. Vorwürfe etwas zu verlieren, dass es nicht gibt, nicht gab und nie geben wird. Vorwürfe kopflos und taktlos zu sein. Vorwürfe die mich fesseln. Die mir das Atmen schwer machen und meinem Ausdruck die Lebendigkeit rauben. Vorwürfe, die mich meine Freiheiten vergessen und sie zu Selbstverständlichkeit werden lassen.
Eine Selbstverständlichkeit die Ignoranz und Arroganz im Gepäck hat.
Und so geht es mit aufgezogenen Schauklappen und nach unten gerichtetem Blick im Kutschersitz von A nach B.
Mit angelegtem Geschirr geht es durchs Leben und ich wundere mich, warum es so schwer ist auszuscheren. Warum ich mich nicht loslösen kann von all den Zweifeln, den Vorwürfen und der Reue.

Auf dem Weg nach Hause vom Training gehe ich über den großen Platz in Üsküdar in Richtung Fährstation und jegliche Selbstverständlichkeit wird mir plötzlich vom Leib gerissen. Denn ich teile mir den Weg mit einem Mann, der sich von der Masse abhebt.
Ein Mann der das nicht möchte, genauso wenig wie ich ihn so wahrnehmen möchte.
Denn der Mann stolpert aufgrund einer Beinachsenfehlstellungen, wie auf Stelzen von Schritt zu Schritt. Seine Knie sind nach innen gerichtet und es wirkt so, als kämpfte er sich auf zwei gebrochenen Flügeln über den Platz.
Doch der Mann kämpft nicht. Der Mann pflügt durch die Menschenmassen. Ich bin es der kämpft. Ich kämpfe mit der Realisation, dass meine Freiheiten vergänglich sind. Ich kämpfe mit dem Gedanken des Privilegs und mit dem Gefühl von Schmerz und Mitleid.
Doch der Mann braucht mein Mitleid nicht. Der Mann überquert den Platz in einer Souveränität, die keine Zweifel lässt.
Eine Souveränität, die nach Selbstverständlichkeit schreit.

Was bleibt ist Überforderung und eine leichte Note von Egoismus im Abgang.
In der Überforderung steckt zwar eine Menge Dankbarkeit und Wertschätzung, doch anderseits bin ich mir im Unklaren, wie ich mit dem Privileg all meiner Freiheiten umgehen soll. Wie ich mit dem Bewusstsein umgehen soll, dass ich nicht den Mann, sondern mich selbst gesehen habe.
Vielleicht ist das der Kern von Empathie. Vielleicht ist es ein Zeichen von Egozentrik.
Vielleicht sollte ich nicht zu tief in andere Dimensionen abtauchen und vielleicht,
vielleicht sollte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, Freiheiten und ihre Selbstverständlichkeiten verlieren zu können.