Ich bemühe mich einen Brownie auf türkisch zu bestellen, was normalerweise eigentlich kein Problem darstellt. Ich zeige auf gewünschtes Gebäck und spreche den Barista, zugegebenermaßen etwas kleinlaut, an. Der Cafe Mann fängt an irgendwie Cookies mit in die Diskussion zu bringen, aus denen ich auswählen kann. Ein wenig verwirrt, zeige ich zögernd nochmal auf den Brownie, erwidere mit einem vernünftigen Satz, dass ich diesen möchte und erhalte im Gegenzug ein “okay, you can sit down, I’ll bring it to you.” Hm okay, was soll’s. Vielleicht möchte er sein Englisch ausspielen. Geschenkt.

Als eine Weile später ein Mann in das Cafe kommt, der versucht Gästen Parfüm anzudrehen, sagt ihm der Cafe Mann: “Yabancı o, anlamaz”. Mein erster Gedanke war: “Bruh, Ich verstehe euch und dich sehr gut”. Auf den zweiten Gedanken könnte es sein, dass er den Straßenverkäufer für mich abschütteln wollte. Seine Art und Weise, lässt mich doch eher auf den ersten Gedanken schließen und mit einem tiefen Seufzer ist das Ding auch durch. Der Barista hat mich in eine Schublade gesteckt und ich akzeptiere mein Schicksal. Anzeichen, dass er mich falsch eingeordnet hat, gab es. Aufzwingen werde ich sie ihm aber nicht.

Am Vortag empfängt mich die Dame im Airbnb sehr herzlich und wir quatschen das anfängliche Eis in der Küche weg. Mir schlägt zunehmend ein Schwall an schnellgesprochenen Worten entgegen und die Gastgeberin stellt sich als sehr gesprächig heraus. Die angesprochenen Themen kann man sich wie die mit Kreide gemalten Kästen auf dem Schulhof vorstellen, durch die wir durch hopsen. Das Spiel habe nicht ich gewählt, aber ich bin auch damit beschäftigt, den Überblick in dem immer dichter werdenden Dschungel aus Worten und Sätzen zu behalten. So kommen wir im Kästchen Pressefreiheit an und als ich meinte, dass das seit 2016 nochmal schwieriger geworden ist, schwingt mir eine Liane mit den Worten “Ohh von türkischer Politik hast du keine Ahnung” entgegen und stößt mir voll vor den Kopf. Alles hätte mit den Gezi Protesten angefangen, wo es den Leuten gereicht hätte und im gleichen Atemzug stellt sie mir die Frage, wie genau mein Studium so aussieht.
Meine Gedanken sind für einen Moment sprachlos. Ich schätze wir sind ins nächste Kästchen gesprungen. Keine Möglichkeit nachzuhaken, keine Möglichkeit meinen Punkt zu erläutern. Keine Möglichkeit langsamer zu machen, sonst springen wir nicht mehr. Ich will nicht mehr spielen und bleibe etwas beleidigt zurück.

Natürlich war das nicht böse gemeint und im Laufe des Abends stellt sich meine Gastgeberin als eine generell doch recht bevormundende Person heraus. Sehr sehr herzlich, aber immer mit einem Hang zur Bevormundung. Wertschätzen kann ich die Form des Umgangs nicht wirklich, verlangt sie mir doch eine Menge Energie ab, die ich gestern hatte, meist jedoch nicht aus dem Hut gezaubert bekomme. Wenn Menschen ihre eigene Agenda starr im Blick haben, der Fuß auf dem Gas ist und die Peripherie ausgeblendet wird, bleibt mir gefühlt nichts übrig, als früh genug den Absprung zu schaffen. Selbst wenn der Karren nicht vor die Wand gefahren wird, verspricht die Fahrt nicht ohne Kopfschmerzen vorbeizugehen. Die hatte ich vergangene Woche genug, dementsprechend bemühe ich mich dahingehend um ein zumindest temporären Entzug.