Warum trainiere ich? Ich glaube, das ist eine Frage, die ich mir lange nie explizit gestellt habe.
In Jugendzeiten bin ich einfach immer zum Fußballtraining gegangen, nicht zu gehen war keine Option. In der A-Jugend kann ich mich erinnern, hinterfragt zu haben, warum ich mir den Amateurfußball überhaupt antue. Meckernde Zuschauer und zügellose Mitspieler waren wohl der Hauptgrund. Heute kann ich nicht mehr nachvollziehen, wieso mich die negativen Nebenwirkungen so sehr getroffen haben, dass ich die Medizin, die Fußball immer für mich war, absetzen wollte. Einem Ball hinterherzujagen hat mir einfach immer Freude bereitet. Beziehungsweise, fast immer.
Denn die Kennenlernphase war weniger von einem ehrlichen Interesse füreinander geprägt. Vielmehr haben ganz viele Jungs aus meiner Grundschulklasse Fußball gespielt und ich wollte dazugehören. Mehr war da nicht, was meine Eltern immer gerne damit unterstreichen, dass Gras zupfen in den ersten Monaten oftmals attraktiver war, als in einer Traube von Mitstreitern einem Ball hinterherzustolpern. Mit der Zeit nahm nicht nur besagte Freude am Spiel selbst zu. Mein Interesse am Fußball abseits des Platzes wuchs mit jedem Bundesligaspieltag, den ich am Radio verfolgt habe, und jedem Paninibild, das ich der Sammlung hinzufügen konnte.
Viel interessanter ist retrospektiv die Identität, die mir ein Verteidiger zu sein gegeben hat. Ich erwähne spezifisch, Verteidiger gewesen zu sein, denn das ist, worin ich gut war. Wofür ich Lob und Bestätigung bekommen habe. So oder vielleicht somit habe ich mich auch selbst gesehen. Ich war nie einer der Star-Spieler, eher ein ehrlicher Arbeiter, doch die Akzeptanz, die damit einherging, als “guter Verteidiger” von einigen Mitschüler*innen wahrgenommen zu werden, hat mir das soziale Leben doch sehr erleichtert. Was mir in der Zeit nicht bewusst war:
Fußballtraining war eine einzige Erleichterung. Zwei Stunden Kopf aus. Zwei Stunden Ruhe. Zwei Stunden Spüren. Sei es der gefrorene Platz im Winter, die Hitze im Sommer, die Grätsche des Gegenspielers oder der Regen auf dem Gesicht, den man so wunderbar im Flutlicht tanzen sehen kann. Ich war für eine kurze Zeit erleichtert. Damals wusste ich es nicht, aber deshalb habe ich trainiert.