Ich muss gerade ein wenig ranten. Gruppenarbeiten sind so ein Ding. Eigentlich ist das immer ein Sozialexperiment. Man würfle willkürlich Menschen zusammen und beobachte ihr Verhalten in einer Situation geprägt von Druck, Erwartungen und Ungerechtigkeitsempfinden. Wenn alle Mitglieder eine sich deckende Einschätzung des bestehenden Drucks haben und die Erwartungshaltungen nah beieinander liegen, ist alles gucci. Alle chillen und machen das Nötigste oder alle klemmen sich hinter den Schreibtisch und husteln für ein gutes Ergebnis. Der Outcome weisst gravierende qualitative Unterschiede auf, aber das Arbeitsklima ist auf einem guten Niveau.
Hat man aber nun Gruppenmitglieder die unterschiedliche Auffassung der Zielsetzung und der Erreichung dieses Ziels haben, wird es spannend.

“Wir haben noch 3 Tage, aber kriegen wir hin. Ich kümmere mich morgen darum”.

“Leute wir haben nur noch 3 Tage, ich hab noch so viel andere Sachen zu tun, wenn wir heute nicht Gas geben, dann schaffen wir das nicht mehr”.

Ahhh jah, et voilà. Das sind die Schlüsselmomente um eine erträgliche Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Denn die Stimmen in den Köpfen schreien bereits nach Gerechtigkeit.

“Warum bin ich mit denen in einer Gruppe?”.

“Warum wird immer so ein Stress geschoben, das ist so unnötig”.

“Warum können wir uns nicht einfach mal in den Hintergrund stellen und den Job erledigen?”.

“Er hat sich bisher noch gar nicht gemeldet, gar kein Bock dass der auf unseren Nacken nix macht”.

Sich und seine Arbeit nicht ausreichend wertgeschätzt zu fühlen, geht schnell. Sehr schnell.

“Ich saß gerade 4 Stunden an dem Teil, ich mache da nix mehr. Übernimmt bitte ein anderer ?”.

Die nächste denkt sich:

“Ähh, ich saß auch 4 Stunden an dem anderen Teil und hab mich nicht beschwert und sowas dauert eben so lange, das ist einfach so wenn man das gut machen will…(sieht wie es gemacht wurde)…girl stfu you didn’t do shit in those 4 hours”.

Ein gutes Beispiel, wenn unterschiedliche Erwartungshaltung an die Qualität mit dem Ungerechtigkeitsgefühl verschmelzen.

“Ne das kann man so nicht machen, weil pipapo”.

“Geht nicht” zu sagen, ohne eine reflektierte Begründung ist Gift für jede Gruppenarbeitsdynamik.

“Sollte wir nicht machen, weil das folgende Nachteile mit sich bringt”.
Idealerweise folgt ein:
“Besser wäre, wenn wir es dafür so machen, denn das hätte folgenden Benefit”.

Den anderen Raum lassen beizutragen, indem man nicht absolut in seinen Aussagen wird und die Konversation durch mit begründeten Argumenten unterfütterten Ansichten nährt. Das wäre sehr gut. Was auch gut wäre, wäre wenn jeder genauso Kapitän wie Matrose ist. Doch wenn keiner Initiative ergreift und nichts voran geht, dann braucht es eine Person die das Ruder an sich nimmt. Nicht an sich reißt. Sobald jemand die Rolle des Steuermanns eingenommen hat und eine gewisse Akzeptanz seiner Kameradinnen erfahren hat, kickt das Kleine-Frau-Macht-Syndrom. Die Person überbewertet ihre Stellung und erlaubt sich damit ohne Filter zu sprechen. Weniger abzuwägen bevor sie sich zu Wort meldet. Den Kurs vorzugeben und zu vergessen, dass die Reise ein Gemeinschaftsprojekt ist. Gruppenarbeiten benötigen ein hohes Maß an Höflichkeit, an Vergebung und an Kompromissbereitschaft. Wenn der Steuermann zum König der Welt wird, gehen ihm und ihr diese Eigenschaften ganz gerne mal abhanden. Um seinen Gruppenkompagnons konstant Höflichkeit, Vergebung und Kompromissbereitschaft zu zeigen, muss man schon sehr Zen sein. Vielleicht auch nur ein guter Mitmensch. Aber nur vielleicht. So Zen bin ich auf jeden Fall gerade nicht.
Deshalb: Wenn du mir sagst, das geht nicht mehr, weil du das alles ach so komplex verschachtelt hast und dein literarisches Meisterwerk nochmal aufzudröseln, käme der Entschlüsselung der Enigma gleich und dann sehe ich, dass du 3 Folien lang eins zu eins alle Inhalte einer Website copy pasted hast, dann vergebe ich dir, bleibe höflich und in meiner Antwort kompromissbereit, aber waruuuuuuuuum.